Empörendes Urteil: Justiz lässt Neonazi-Schläger laufen

Am 29. April 2018 überfielen Gianluca Bruno und Nordulf Heise zwei Journalisten und verletzten diese schwer. Fast dreieinhalb Jahre später, im September 2021 begann der Prozess gegen die beiden Neonazis. Nach 35 Prozesstagen, darunter eine Ortsbegehung des Tatorts in Fretterode, verkündete das Gericht am 15. September 2022 das Urteil. Auch wenn es während der Verhandlungstage über weite Strecken besser aussah – die Verteidigung der Neonazis legte einen außerordentlichen Dilettantismus an den Tag, die Staatsanwaltschaft stimmte der Argumentation der Nebenklage in der Regel zu und auch die Richterin schien überzeugt zu sein – kamen Gianluca Bruno und Nordulf Heise mit lächerlichen „Strafen“ davon.

Gianluca Bruno wurde lediglich zu einem Jahr Haft auf Bewährung verurteilt und Nordulf Heise muss sogar nur 200 Sozialstunden ableisten. Damit blieb das Gericht deutlich unter den Forderungen der Staatsanwaltschaft. Und damit nicht genug: In der Urteilsbegründung übernahm die Richterin in weiten Teilen die „Argumentation“ der Neonazi-Verteidigung – so sei es bloß eine Auseinandersetzung zwischen zwei politischen Strömungen gewesen, weshalb man die Neonazis nur milde bestrafen müsse. Im Vergleich zur Repression, mit der der deutsche Staat linke Bewegungen überzieht, ist dieses Strafmaß ein schlechter Witz.

Auch wenn wir als radikale Linke die Institution „Gefängnis“ ablehnen – wir hätten es den beiden Neonazis gegönnt, dass sie zumindest für einige Zeit weggesperrt werden. Aber man darf sich da keine Illusionen machen: Selbst wenn die Strafen höher ausgefallen wären, wäre es damit nicht „gut“ gewesen. Denn ganz egal, wie lange Neonazis wie Nordulf Heise und Gianluca Bruno in den Knast gehen – wenn sie wieder raus kommen, sind sie weiterhin Nazis. Vermutlich sogar Neonazis, die sich dort mit anderen Nazis und Gewaltverbrechern vernetzen und in ihrer Szene ihr Ansehen durch Knasterfahrung steigern konnten. Auch Thorsten Heise wird weiterhin Thorsen Heise sein, sein Anwesen in Fretterode wird weiterhin ein Neonazi-Zentrum bleiben. Und es ist auch mehr als fraglich, dass solch ein Urteil eine abschreckende Wirkung auf andere Neonazis haben wird: Viereinhalb Jahre nach der Tat verurteilt zu werden – davon wird es nicht weniger rassistische Gewalt, Übergriffe gegen Journalisten und Angriffe auf (vermeintliche) Linke geben.

Aber nicht nur, dass die Justiz anscheinend kein Interesse an der Bekämpfung des Neonazismus hat: Sie macht sich sogar zum Erfüllungsgehilfen der Neonazis. Das zeigt die Hausdurchsuchung bei einem weiteren investigativen Journalisten, die zwei Tage vor der Urteilsverkündung in Bremen durchgeführt wurde. Diesem Journalisten wurde vorgeworfen, dass ein ihm zugeordnetes Handy eine Plakataktion zum dritten Jahrestag des Überfalls in Fretterode gefilmt habe. Die Staatsanwaltschaft Mühlhausen hat dabei auf Antrag von Thorsten Heise gehandelt. Bei dieser Lappalie war also eine Hausdurchsuchung möglich, aber nach dem Überfall in Fretterode war der Staat nicht dazu in der Lage? Abgesehen davon, dass diese Hausdurchsuchung wohl auch nach den Gesetzen dieses Staates unverhältnismäßig war, hat die Justiz hier – genau wie bei der Urteilsverkündung – wieder ihre hässliche Fratze gezeigt: Sie hat deutlich gemacht, dass sie eher auf der Seite der Neonazis steht, als auf der Seite von Journalisten, die über diese Neonazis aufklären wollen.

Zwar hatten wir keine großen Erwartungen in diesen Gerichtsprozess. Schon die Polizei hatte ihre Ermittlungen in einer Weise geführt, die man nur euphemistisch als „stümperhaft“ beschreiben kann. Es folgte der Versuch einer Täter-Opfer-Umkehr und eine öffentliche Diskreditierung der angegriffenen Journalisten. Erst nach einer jahrelangen Verschleppung begann der Prozess im September 2021. Dennoch: Obwohl wir nichts erwartet haben, sind wir enttäuscht. Dieser Fall hat wieder einmal gezeigt, dass auf den Staat im Kampf gegen Neonazis kein Verlass ist. Es hat sich also bestätigt: Antifa heißt selbermachen! Wir müssen den antifaschistischen Kampf selber führen, das nimmt uns der Staat nicht ab. Dazu gehört die Dokumentation faschistischer Aktivitäten, dazu gehört der Protest auf der Straße und dazu gehört natürlich auch der militante, antifaschistische Selbstschutz!

Das Ende ist nah - die letzten Prozesstage

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